Feiertage oder Familienfeste sind für mich immer wieder eine sehr interessante Zeit. Man kommt mit der Familie zusammen, sieht vielleicht die eigenen Eltern oder Schulfreunde wieder und in diesen Momenten ist man plötzlich selbst wieder ein bisschen Kind. Diese Nähe kann die unterschiedlichsten Themen und Gefühle aufwühlen. Dinge, die früher normal und selbstverständlich waren fühlen sich mit einem Mal befremdlich, fast schon lustig, oder auch nach wie vor verletzend an.
Mir wurde erst vor kurzem wieder ein Satz vor Augen geführt, den ich als Kind so oft gehört habe und der jetzt, gerichtet an meine Kinder, bei mir Wut, Abneigung und Traurigkeit hervorruft: „Sei doch ein liebes Kind“ oder auch abgewandelt: „Warum bist du denn kein liebes Kind?“.
Werden diese Worte ausgesprochen merke ich, wie sich alles in mir zusammenzieht, mein Geist rebelliert und ich trotzig sofort in den Raum werfe: „mein Kind ist ein liebes Kind. Nur weil es sich gerade nicht so verhält wie du es gern hättest, heißt es nicht, dass du es abwerten musst.“ Denn dieser Satz ist nichts anderes als eine Abwertung, die einen weiteren kleinen Riss im Selbstbewusstsein deines Kindes verursacht. Denn Kinder wollen gefallen, sie wollen um alles in der Welt geliebt werden, sie wollen die Zuneigung der ihr vertrauten Personen.
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe diesen Satz sehr oft in meiner Kindheit gehört. Meistens hatte es wenig damit zu tun, dass ich nicht lieb war. Meistens habe ich mich einfach nur anders verhalten und reagiert als es meine geliebten Menschen um mich herum erwartet haben.
Worte haben eine enorme Kraft und Wirkung, dies sollten wir niemals unterschätzen. Auch wenn sie nur so schnell daher gesagt sind.
ÜBUNG: Beobachte dich doch einmal selbst, gibt es Phrasen oder Sätze, die du in deiner Kindheit gehört hast und die in dir Unbehagen, Wut oder Trauer auslösen, ohne dass es dafür einen rationalen Grund gibt? Versuche diese Momente bewusst wahrzunehmen und schreibe dir diese Situation oder den Satz auf. Später kannst du in dich hineinspüren, wann oder von wem du diesen Satz besonders häufig gehört hast. Benutzt du womöglich auch diese Phrasen oder verhältst dich genauso?